05.11.2023 - 31. Sonntag im Jahreskreis -
„Sie machen ihre Gebetsriemen breit
und die Quasten an ihren Gewändern lang;
sie lieben die Ehrenplätze bei den Gastmählern
und die Ehrensitze in den Synagogen…“ - Mt 23,5b-6
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Evangelium am kommenden Sonntag spricht Jesus „zum Volk und zu seinen Jüngern“ (V1). Er lässt seinen Ärger über die Verantwortlichen in Religion und Zivilgesellschaft raus und kritisiert an ihnen die Äußerlichkeiten, um die jede und jeder weiß und mit denen sie oder er vielleicht selber manchmal liebäugelt: Vorteile, Annehmlichkeiten, Ansehen in der Öffentlichkeit… Wer hätte die nicht gerne auch für sich selbst.
Bei dieser Kritik müssen wir aufpassen, dass wir nicht den eigenen Neid bedienen und nur bei anderen das anstößig finden, was wir vielleicht gerne selbst für uns hätten.
Jesus geht da einen großen Schritt weiter.
Er braucht nicht das liebsäuselnde Gerede der anderen.
Das gutwollendende Getue derer, die sich jemandem gutstimmen wollen, benötigt er nicht.
In seiner inneren Freiheit steht er über solchen ach so menschlichen Strebungen und in seiner Zielsetzung kennt er den Kompass, der ihn auch durch diese Untiefen menschlicher Begegnungen gut leitet und führt.
Es ist dies sein Gottvertrauen.
Weil er weiß und spürt und dies auch so lebt, dass sein Verhältnis zu Gott wie eine Beziehung zwischen Kindern zum Vater ist, braucht er das Weihrauch der anderen nicht.
Weil ihm bewusst ist und er daraus jeden Tag neu seine Kraft zieht, dass Gott sein einmaliges JA zu ihm gesprochen hat, ist er frei von Schmeicheleien und wohlwollenden Anerkennungsritualen.
Weil ihm das Wissen darüber, dass Gott seine Sonne scheinen lässt über Sünder und Gerechte und dass sein Regen auch auf die Felder der Bösen und der Guten fällt, kann er eine übergroße Liebe zu seinem Gott und zu seinen Mitmenschen entwickeln, die eine Selbstachtung und eine Wertschätzung der anderen zur Folge hat: Süßlichen Worten geht er nicht auf den Leim.
Das sollen und das können wir von Jesus lernen:
Aus mir heraus kann ich eine Beziehung zu Gott aufbauen, der mich will, der zu mir JA sagt und der mir auch ein gelingendes Leben zutraut, weil ich bin.
Darüber, dass ich mir und meinem Leben bewusst werde, darf ich darauf vertrauen, dass der, der für jedes Geschöpf und für die ganze Schöpfung der Urgrund des Seins ist, auch zu mir steht: Sonst wäre ich ja nicht hier!
Und wenn ich dieses JA zu mir selbst sprechen, wenn ich bereit bin, mich meiner anzunehmen und zu respektieren, wie ich bin - denn so hat er mich ja gewollt! -, dann kann ich mich auf die Suche nach Gleichgesinnten, nach Verbündeten, nach Suchenden begeben, mit denen ich dann in einer Gruppe ein Klima von gleichberechtigten Menschen aufbauen und pflegen kann, die mich auch so nehmen und akzeptieren, wie ich eben geworden bin.
Das ist unser Dienst, den wir als Kirche den Menschen schulden: Ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und sie bei der Suche nach Anerkennung und Wertschätzung zu begleiten, die echt und wahr und edel ist.
In diesem Sinne haben wir noch eine weite Wegstrecke vor uns.
Und wir wissen alle, dass wir dies alleine für uns nicht schaffen werden, sondern dass wir dazu einander brauchen und uns gegenseitig dabei helfen sollen.
Im Namen derer, die sich täglich und wöchentlich in unserer Pfarreiengemeinschaft einbringen und einsetzen und den anderen auf ihre Weise Anerkennung und Wertschätzung spüren lassen, wünsche ich Ihnen einen schönen Sonntag und eine gute Woche.
Nikolaus Hegler, Pfarrer