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31.01.2021 - 4. Sonntag im Jahreskreis - Die erste Wundergeschichte, die von Jesus erzählt wird, ist die Heilung eines Besessenen. Irgendwie ist einem etwas mulmig dabei. 

Und unter den Wundern Jesu gibt es gleich vier davon. Das heißt, dass der Großteil der Wundererzählungen Heilungen von Besessenen sind. Wenn wir genauer hinschauen, dann merken wir: Besessenheit ist nicht nur ein Krankheitsbild eines überholten Weltbildes, sondern eigentlich auch ein ernst zu nehmendes Phänomen unserer Zeit. Besessenheit kommt von besetzt sein. Besetzt von fremden Mächten. Bin ich eigentlich ich selbst? Oder bin ich besetzt von Meinungen, Trends, Erwartungen? Wer von uns weiß nicht, wie schwer es ist, wirklich aus der eigenen Meinung keinen Hehl zu machen, wenn um mich herum ganz anders gedacht und geredet wird.

Wie schnell denkt man über das eine oder andere Thema nur so, wie ich es in der Zeitung lese?

Wie schnell nisten sich Vorurteile über bestimme Gruppen der Gesellschaft in den Köpfen und Herzen ein, obwohl wir sonst kaum diesen Menschen begegnen. Und diese Vorurteile blockieren dann derart, dass man gar nicht mehr richtig hinhört und hinschaut.

Wie schnell rede und handle ich so, wie es andere von mir erwarten und bin durch viele Rücksichten wie lahm gelegt und fremd bestimmt.

Stellen Sie sich einfach mal die Frage: Sie könnten einen Tag unsichtbar sein, was täten Sie?

Sie hätten plötzlich den Mut, etwas zu tun, was Sie sich noch nie getraut haben. Was täten Sie?

Eines zeigen die alten Geschichten klar, die von der Heilung Besessener durch Jesus erzählen:

Das Reich Gottes, das Jesus verkündet, ist dort im Kommen, wo Menschen lernen, sie selbst zu sein, zu sich selbst stehen, den anderen nicht nach den Mund reden, ihr Verhalten nicht fremd bestimmen zu lassen. Entsprechend geht Jesus auf die fremd bestimmten Menschen zu. Er behandelt sie nicht als Heilungsobjekte. Er spricht sie an, kämpft mit ihnen, fragt nach ihren Namen und verhilft ihnen so, ihre eigene Meinung, ihre eigene Sprache, ihre eigene Geschichte, sich selbst wieder zu finden.

Die Besessenenheilungen der Evangelien sind also nicht Geschichten aus der Gruselkiste. Sie treffen den Nerv des Lebens. Sie sagen mir: Mein Glaube möchte mir helfen, zu mir selbst zu stehen, an das Gute und an die Kräfte in mir zu glauben. Er möchte mir helfen, das Original in mir zu entfalten und nicht als billige Kopie von Meinungsmachern zu enden.

Einen gesegneten Sonntag wünscht
Ihr Diakon Alexander Fuchs

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