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02.05.2021 - 4. Sonntag der Osterzeit - 

Liebe Leserin, lieber Leser!

Als ich bei der Israelreise unseres Pastoralkurses 1999 die Kirche der Verkündigung in Nazaret betrat, sah ich in jedem Kirchenfenster und jedem Kirchenwinkel die verschiedenen Darstellungen der Muttergottes. Von den weltweit bekannten und berühmten Wallfahrtskirchen waren hier alle Gnadenbilder und Statuen zusammengetragen.

Ich war schockiert und sprachlos. Ich konnte es nur schwer ertragen, zeigen doch die verschiedenen Darstellungen, dass sich jede Zeit und jede Region, jede Kultur und jede Tradition ihr eigenes Marienbild gemacht hat.

Ist das gut so? Soll jede und jeder nach seiner Fason seine Marienfrömmigkeit leben? Oder gibt es doch etwas Verbindliches, was wir von Maria, der jungen Frau aus Nazaret wissen können?

Für mich wird zunächst einmal deutlich, dass mit Maria all die Hoffnungen und Sehnsüchte verbunden werden, die von den jeweiligen Spiritualitäten auf sie projeziert werden. Maria wird so zur Folie meines Glaubens, meiner Bilder und meiner Erwartungen, die ich in sie hineinlege. Objektiv wird hier nicht Maria verehrt und bewundert, sondern ich kreise um mich und um meine Vorstellungen von Maria.

Dann muss ich dem Rechnung tragen, dass zu verschiedenen Zeit und in den verschiedenen Teilen der Welt Darstellungen von Maria auf die Altäre gehoben wurden, die in dieser Zeit und für diese Menschen damals von Bedeutung waren: Die Bilder von der Schwarzen Madonna von Tschenstochau, die Altöttinger Madonna und die der Mutter Gottes von Guatalupe in Spanien und in Mexiko sind solche Zeugnisse.

Einfach ist es, sich einer solchen Vorlage anzuschließen und so sein Verhältnis zu Maria, der Mutter Jesu, zu leben.

Schwieriger wird es, sich selber zu fragen, wer denn diese Frau für mich ist, welche Bedeutung sie für mich und mein Leben haben kann und wie ich eine konkrete Form ihrer Verehrung entwickle?

Für mich sind die Zeugnisse von Maria in den Heiligen Schriften von Bedeutung.

Da ist ganz am Anfang die selbstbewusste junge Frau, die sich nicht einfach vom Engel einschüchtern lässt, sondern nachfragt und wissen will, wie das nun geschehen soll mit der Verheißung der Geburt.

Dann erkenne ich die politische Prophetin, die bei ihrer Verwandten Elisabet ihren Lobpreis auf Gott anstimmt, der mit den derzeitigen Verhältnissen nicht zufrieden sein kann, sondern „die Mächtigen vom Thron stürzt und die Niedrigen erhöht!“ (Magnificat).

Schließlich nehme ich eine selbstbewusste Frau wahr, wie sie im Evangelium von der Hochzeit zu Kana, das am 1. Mai, dem Fest der Schutzfrau Bayerns, verkündet wird: Sie bekennt sich voll und ganz zu Jesus und leitet uns an, dies auch so zu tun: „Was ER euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5)

Und ich entdecke die tapfere und treue Mutter beim Sohn unter dem Kreuz, die auch dann noch zu Jesus hält, als sich alle anderen großspurigen Apostel aus den Staub gemacht hatten. Auch am Ende des Lebens steht die Mutter treu zu ihrem Sohn, der wie ein Verbrecher am Kreuz endet.

Zu guter Letzt betet sie „im Obergemach“ in Jerusalem zusammen mit den Aposteln und „alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern. (Apg 1,13f)

Die Treue zum Herrn, die gemeinsame Bitte um den Heiligen Geist und das geschwisterliche Miteinander der ersten Frauen und Männer, die Jesus nachfolgen, können wir in Maria erkennen, die so zum Vorbild wird und zum Urbild der Kirche.

Einen schönen Feiertag und Sonntag, sowie eine gute Woche wünschen wir Ihnen allen!
Nikolaus Hegler, Pfarrer

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