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30.01.2022 - 4. Sonntag im Jahreskreis - 

Liebe Leserin, lieber Leser!

Die Auswirkung der Predigt Jesu in Nazaret ruft die unterschiedlichsten Reaktionen hervor. Diese gehen von Lob und Anerkennung bis hin zu Abwertung und Ablehnung.

Auf ganz andere Weise brachten und bringen mich - und sicherlich viele andere auch! - die Nachrichten über das Münchner Gutachten zum Missbrauchsskandal und zum früheren Kardinal Ratzinger aus der Fassung und erschüttern zu innerst: Was da alles von Vertretern der Kirche, der Hierarchie gedeckt, versteckt und verharmlost wurde und wird, ist unerträglich.

Den Opfern des Missbrauchs muss unsere ganze Aufmerksamkeit gelten; ihnen beizustehen und zu helfen, unser aller Pflicht; auch materiell darf ihnen eine entsprechende Entschädigung nicht vorenthalten werden.

Doch was hat das mit mir und mit uns zu tun?

Wir sind doch daran nicht direkt beteiligt, wiewohl wir doch „zum selben Verein“ gehören?

Und dazu kommt dann noch, dass wir selber im Glauben erschüttert sind wegen dieses Fehlverhaltens der Oberen und nicht so recht wissen, wie es jetzt ganz persönlich weitergehen kann und muss. Dies gilt sowohl auf Ebene der Verantwortlichen in der Kirche, wie in meiner ganz persönlichen Glaubensentscheidung als Christ bzw. Christin!

Dabei hilft mir die Haltung von Tim Kurzbach, dem SPD Oberbürgermeister der Stadt Solingen und Diözesanratsvorsitzender im Erzbistum Köln weiter. Er fordert, dass zum einen staatliche Aufklärung jetzt zwingend notwendig ist: Wir leben ja in einem Rechtsstaat, der die Schwachen schützt und die Täter bestraft! Zum anderen muss sich die Kirche ihr Versagen eingestehen und die nötigen Schritte der Veränderung einleiten als da sind: Demokratie, Transparenz, Beteiligung und Emanzipation. Das barocke und höfische System der ewig gestrigen muss überwunden werden. Beten für die Opfer von sexualisierter Gewalt, wie es der frühere Erzbischof Ratzinger verspricht, ist zwar immer gut, aber reicht auf gar keinen Fall aus, um angemessen den Opfern gerecht zu werden.

Und wir hier vor Ort: Was sollen wir tun? Wie sollen wir weiterleben, weiterglauben?

Ich denke, dass wir mit offenen Augen und Ohren die Aktivitäten in der Kinder- und Jugendarbeit begleiten müssen und den Anfängen entschieden wehren.

Dann ist es wichtig, sein eigenes Glaubensverständnis nicht von „denen da oben“ abhängig zu machen, sondern sich immer wieder neu in den Ursprung unseres Christseins zu verankern: Es ist der Herr Jesus Christus. Ihm folgen wir nach. Und für ihn und mit ihm wollen wir Kirche aufbauen und Kirche sein nach der Art, wie er es im Sonntagsevangelium vorstellt: Nicht alles und jedes können wir verändern, heilen, ermutigen und stärken. Es gilt das uns Mögliche einzubringen, auch wenn dies „nur“ im Einzelfall geschieht. Doch gerade dieses kleine, einzelne, zeichenhafte Zeugnis macht deutlich, wes „Geistes Kind wir sind“ und in welcher Mission wir uns und unser Leben einbringen. Exemplarisches Handeln konkret vor Ort verändert nicht die Welt auf einmal, aber es macht deutlich, was mir wichtig und wertvoll ist und wofür ich mich und mein Leben einsetze. Und es regt die anderen an und motiviert sie vielleicht selber so aktiv sich einzusetzen.

So wünsche ich ihnen und mir „viele kleine Schritte an vielen verschiedenen Orten“ die das Angesicht dieser Erde verändern.

Einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche wünscht im Namen des Teams
Ihr Pfarrer Nikolaus Hegler

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