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27.03.2022 - Vierter Fastensonntag - Liebe Leserin, lieber Leser!

Dass sich Jesus mit den Sündern abgibt, bei Zöllnern einkehrt und mit Dirnen seine Zeit verbringt, stört nicht nur die Pharisäer und Schriftgelehrten damals, sondern auch viele Zeitgenossen heute: Das gehört sich doch so nicht!

Diese Konfrontation mit dem Evangelium ist für die einen schmerzlich, für die anderen jedoch erfreulich und wohltuend. Diese widersprüchliche Erfahrung begegnet uns immer wieder. Und in den alltäglichen Herausforderungen werden wir in eine solche Entscheidungssituation gedrängt und merken: Allen können wir es doch nicht recht machen!

Die Lösung, die mein Chef damals angewandt hat, möchte ich für mich nicht gelten lassen. Nach dem Motto: „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst die niemand kann!“, hat er dann das gemacht, was er eben wollte, und bei jeder Gelegenheit seinen Willen durchgesetzt.

Ich möchte mich auf den Menschen einlassen, möchte verstehen, warum der eine seine Freiheit erzwingen muss und der andere brav daheim bleiben will.

Ich möchte erfahren, was das ist: Umzukehren und Heimzukommen; Aufnahme zu finden und geliebt werden.

Aber auch meine Augen nicht vor denen verschließen, die sich ausgenutzt und verraten fühlen, weil sie sich für die Familie, für den Betrieb, für das Geschäft aufgeopfert haben.

Letztlich geht es doch darum, seine eigenen Gefühle, seine Wünsche und inneren Sehnsüchte kennenzulernen und anzunehmen. Um dann einen guten Weg zu finden, der aufatmen und leben lässt.

Um schließlich mehr und mehr die Perspektive des „barmherzigen Vaters“ einzunehmen, der ja auch auf jede und jeden von uns zukommt, wenn wir diesen Weg wagen werden.

Das Manko des älteren Bruders im Gleichnis war es, dass er nie über seine Bedürfnisse mit seinem Vater gesprochen hat; dass er immer darauf gehofft hat: Er wird doch schon merken, was mir fehlt! Und das kann ja keiner. Es ist und bleibt eine Mär, Wünsche von den Augen eines anderen ablesen zu können. Wir müssen schon aus uns herausgehen und dies direkt ansprechen, formulieren, wessen wir bedürfen. Diesen Mut gilt es aufzubringen.

Und das Vorurteil des jüngeren Bruders, so scheint es mir, ist, dass er ebenfalls nicht mit dem Vater gesprochen hat um seinen Freiheitsdrang zu benennen: Der kann mich doch sowieso nicht verstehen! Er hatte kein Vertrauen in seinen Vater, und wollte auf eigener Faust sein Leben in die Hand nehmen. Diese Vertrauen gilt es aber zu wagen.

Jesus, der gekonnt mit den Menschen redet, der in schönen Bildern und Gleichnissen sein Evangelium unter die Leute bringt, lehrt mich heute: Rede mehr mit den Menschen! Erkläre mehr, was du denkst, wie du fühlst, was du meinst! Du wirst sehen, dass viel mehr Verständnis beim Gegenüber da sein wird, als du dir es hast je vorstellen können!

Wenn wir diese Einsicht auf unsere neuen Pastoralen Räume übertragen wollen, dann gilt ja auch hier: Mehr miteinander reden. Im Gespräch den Weg miteinander zu finden, den jede und jeder mitgehen kann. Einander Offenheit und Vertrauen entgegenzubringen, bringt uns alle voran. Das wünsche ich mir für die Zukunft: Von mir. Von Dir. Und von uns allen.

Einen schönen Sonntag und eine gute Woche wünscht Ihnen und Ihren Angehörigen
Ihr Nikolaus Hegler, Pfarrer

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